Pfannenstiel bezwingen: Meine 9.063 m lange Rad-Challenge in der Schweiz

Konrad Domanski

Everesting. Allein das Wort jagt mir selbst jetzt noch einen Schauer über den Rücken. Es ist der ultimative Ausdauertest, bei dem man sich einen einzigen Anstieg aussucht und ihn so lange wiederholt, bis man den Mount Everest – 8.848 Meter – erklommen hat. Nun, ich habe diese epische Everesting-Radsport-Herausforderung kürzlich von meiner Liste gestrichen, und ich kann euch sagen: Es ist eine Geschichte voller Mut, Strategie und einer Menge Haribo.

Mein großes Radsportziel dieses Jahr ist die Tour des Stations im schweizerischen Wallis – ein Monsterrennen mit Höhenmetern auf Everesting-Niveau an nur einem Tag. Zur Vorbereitung habe ich mich sechs Wochen vorher für einen echten Everesting-Versuch entschieden und mir einen bekannten Gegner ausgesucht: den Pfannenstiel von Uetikon am See, einem beliebten Radsport-Berg in der Nähe von Zürich – der Fuß des Anstiegs ist nur fünf Minuten von zu Hause entfernt.

Die Wahl des richtigen Aufstiegs ist eine der wichtigsten Aufgaben

Der strategische Aufstieg: Warum Pfannenstiel?

Die Wahl eines Everesting-Anstiegs ist entscheidend. Bei meinem Versuch fiel die Entscheidung für Pfannenstiel aufgrund der Nähe zu meinem Zuhause. Ich kenne den Anstieg gut – ich fahre ihn oft nach der Arbeit. Diese Vertrautheit war nicht nur auf Komfort zurückzuführen, sondern auch auf Effizienz und Unterstützung. Die Möglichkeit, schnell nach Hause zu kommen, um etwas Warmes zu essen (ein großes Lob an meine Frau Agata für die Pasta!), sich mit Vorräten zu versorgen und sogar mögliche Fahrradprobleme in der Nähe zu lösen, war ein entscheidender Vorteil für diese Langstrecken-Radsport-Herausforderung.

Der für meinen Everesting-Versuch gewählte Abschnitt des Pfannenstiels war 4,25 km lang, wies einen Höhenunterschied von 330 m auf und wies eine durchschnittliche Steigung von 7,8 % auf, mit kurzen Steigungen von über 10 %. Ich plante meine Pausen, Wasserquellen und markierte eine Bäckerei für den Notvorrat. Wenn man den Anstieg gut kennt, ist keine umfangreiche Erkundung nötig.


Das lange Spiel: Jahrelange Vorbereitung

Die Idee, den Everest zu erklimmen, war mir nicht neu. Sie brodelte schon seit zwei Jahren. Letzten Sommer kam ich ihm quälend nahe: Ich erreichte 8.000 m bei der Tour du Mont Blanc und 8.500 m rund um den Adamello in Italien. Beide Male wurden meine Chancen durch heftige Stürme unterbrochen, die mich hoch oben in den Bergen überraschten und eine Fortsetzung gefährlich machten. Diese „Beinahe-Treffer“ heizten das Feuer nur noch mehr an.

Letzten Winter habe ich mich intensiv mit dem Indoor-Training in Zone 2 beschäftigt, und seit März sammle ich in den Schweizer und italienischen Bergen Kilometer, darunter mehrere Fahrten über 4.000 m (oftmals erkunde ich neue Anstiege für die Scratch-Maps). Der vorsichtige Optimismus war da: Ich dachte, mit dem richtigen Tempo sollte ich die Herausforderung in etwa 18 Stunden schaffen. Das würde mir auch einen wichtigen Puffer von 0,5 Stunden für die Tour des Stations verschaffen – mein Ziel ist es, das Rennen innerhalb der vorgegebenen Zeit von 18,5 Stunden zu beenden.

Am Vorabend habe ich alles vorbereitet: Rad, Kleidung, Essen, Getränke. Früh ins Bett um 20 Uhr (mit etwas Melatonin-Unterstützung), um um 3:30 Uhr wach zu sein. Ausgiebiges Frühstück und um 4:30 Uhr auf dem Rad. Innerhalb weniger Minuten war ich am Fuße des Pfannenstiels, bereit für die 26 bevorstehenden Anstiege. Geplant waren zwei längere Pausen: nach 9 und 18 Wiederholungen. Dazwischen nur kurze Stopps zum Wasser nachfüllen.

26 Mal rauf und runter – das wird sich wiederholen.


Die Fahrt: Höhen, Tiefen und Haribo-Treibstoff

Die ersten Wiederholungen im Dunkeln fielen mir leicht. Meine Strategie war ein straffes Tempo – knapp unter der Schwelle von Zone 2 (190 W, 150 Schläge/min). Aber wie jeder, der schon einmal lange Ausdauerradtouren gemacht hat, weiß, kann sich „langsames“ Fahren unnatürlich anfühlen, und am Anfang habe ich diese Grenze immer wieder überschritten. Die ersten neun Wiederholungen waren die schnellsten und dauerten im Durchschnitt jeweils 33,5 Minuten.

Frisch und motiviert nach dem ersten Aufstieg

Erste Pause nach neun Wiederholungen: Nach Hause für eine großzügige 40-minütige Pause und eine riesige Schüssel Pasta, die Agata mir geschenkt hat. Ich fühlte mich sehr stark und sagte Agata sogar, dass ich versuchen würde, bis 10.000 m zu laufen. Oh, der Optimismus frischer Beine!

Die nächsten neun Wiederholungen brachten jedoch die ersten Risse. Nach etwa 10 Stunden, etwa bei Wiederholung 15, setzte die Hitze ein, Monotonie machte sich breit, und mein Magen begann gegen die schiere Menge an Kohlenhydraten zu protestieren. Eine kurze, routinemäßige Wasserpause verlängerte sich auf 30 Minuten. Essen wurde zur lästigen Pflicht. Diese Wiederholungen dauerten nun durchschnittlich 35 Minuten.

Zweite (und letzte geplante) Pause nach 19 Wiederholungen: Eine Stunde zu Hause. Duschen, frische Kleidung und ein weiterer Versuch mit Pasta. Ich musste mich zwingen und schaffte nur die Hälfte von dem, was ich wollte. Der 10.000-Meter-Traum zerplatzte; die 8.848 Meter bis Mitternacht zu schaffen, war das einzige Ziel. Die Ausdaueranzeige meines Garmins lag schon länger bei 0 %, und die Pause half kaum, sie wiederzubeleben.


Der mentale Kampf und die Regenverzögerung

Das letzte Drittel war eine brutale mentale und körperliche Zermürbung. Jede Wiederholung wurde langsamer: 36, 37, 38 Minuten … Dann der Wendepunkt: Bei der 22. Wiederholung schloss sich Agata mir an. Jemanden zum Fahren zu haben, war ein großer moralischer Auftrieb und hat mir in der dunkelsten Stunde geholfen. Ihre Solidarität war entscheidend.

Bei Wiederholung 23 kam das Déjà-vu von vorherigen Versuchen – Regen bei Sonnenuntergang. Es gab keinen besseren Weg, die Moral zu stärken … Wir suchten Schutz unter einem Scheunendach, 1.000 m vor dem Ziel. Die Erschöpfung war enorm, während wir darauf warteten, dass der Regen aufhörte. Zum Glück hörte er nach 30 Minuten auf.

Noch drei Wiederholungen. Es war dunkel, aber die Ziellinie war in Sicht. Wiederholung 24 dauerte 39 Minuten. Wiederholung 25, die härteste, zog sich 42 Minuten hin. Mein Puls lag bei nur 120 Schlägen pro Minute, aber meine Beine wollten einfach nicht mehr. Die letzte Wiederholung, 43 Minuten, war die langsamste, aber mental einfach, weil sie die letzte war.

So nah und doch so fern. Es fängt gleich an zu regnen.


Sieg und der süße Geschmack des Everest

Den Pfannenstiel zum 26. Mal zu besteigen, war pure Euphorie. Ein großartiges Erfolgserlebnis und Erleichterung – ich hatte endlich ein lang gehegtes Ziel erreicht. Mein Garmin zeigte mir, dass ich knapp 9.000 m hoch war. Nach einer Wiederholung eines Abschnitts des Aufstiegs erreichte ich insgesamt 9.063 m und 231 km.

Kurz vor Mitternacht war ich wieder zu Hause: 19,5 Stunden waren vergangen, davon 16 Stunden im Sattel. Völlig leer. Den nächsten Tag verbrachte ich mit liegender Erholung, kämpfte gegen „Gehirnnebel“ und einen unstillbaren Hunger, der drei Tage anhielt. Über 10.000 kcal verbrannt – mein Körper wollte sie unbedingt zurück!

Wenig überraschend wurde ich bei diesem Aufstieg auch zur lokalen Legende. Es gibt ein Strava-Segment, das ich in den letzten 90 Tagen 37 Mal wiederholt habe – ich fordere jeden heraus, es mir abzunehmen :)

Um Mitternacht wieder zu Hause mit meinem Unterstützer

Ernährung und Audio: Haribo (800 g! Das ist meine Geheimwaffe), 600 g Brot, 4 Bananen, 300 g Nudeln, Energieriegel und 200 g Zucker im Wasser. Und ständige Audiostimulation – anfangs Podcasts, dann Musik, als mein Gehirn die Informationen einfach nicht mehr verarbeiten konnte.

Ausrüstungscheck: Mein Specialized Roubaix Endurance-Bike mit superniedriger 34/36-Zahn-Übersetzung, damit die Beine auch bei Anstiegen nicht versagen. Ich war minimalistisch bei Zubehör und Werkzeug und verließ mich auf die Bremsen zu Hause, um mein Handy, meine Lichter und meine Kopfhörer aufzuladen. Glücklicherweise gab es kein einziges Problem mit der Gangschaltung – ein Beweis für die gute Vorbereitung des Rads und das frische Wachsen meiner Kette am Vortag.


Gelernte Lektionen

Würde ich es noch einmal machen? „Ja und nein.“ Der Drang, Grenzen auszutesten und lange Ausdauerritte zu absolvieren, ist immer noch da. Aber die Monotonie von 26 Wiederholungen auf einem 4,25 km langen Anstieg war eine echte Herausforderung. Am Ende des Tages kannte ich jede einzelne Unebenheit der Straße. Die Landschaft war immer dieselbe. Der Bauer, der auf halber Höhe wohnt, warf mir nach dem fünften Mal, als er mich sah, seltsame Blicke zu! Ich begann, seine Kühe einzeln zu erkennen.

Mein Rat für zukünftige Everester? Wähle einen längeren Anstieg (ca. 1000 Höhenmeter) oder, falls du die „Einzelanstieg“-Regel nicht so streng nimmst, plane eine Route mit mehreren Anstiegen und Everest-Höhenmetern. Das ist zwar logistisch anspruchsvoller (keine Versorgungsbasis), verspricht aber abwechslungsreichere Landschaften und Abenteuer. Genau aus diesem Grund habe ich die erste Climbfinity Scratch Map der Schweiz erstellt – für die Planung langer Ausdauerradtouren, die mehrere legendäre Bergpässe in einer einzigen Tour kombinieren.

Hast du schon mal den Everest gemeistert? Möchtest du die Herausforderung auch einmal annehmen? Wir freuen uns auf deine Rückmeldung!

Link zur Strava-Aktivität

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